Vorname | Luise (Liesel) |
---|---|
Nachname | Rothschild |
Geburtsdatum | 03.07.1917 |
Geburtsort/Wohnort | Karlsruhe |
Aufenthalt im Heim „Isenburg“ | 08.10.1940 - 27.08./01.09.1941 |
Abgemeldet nach | Frankfurt am Main/letzte Adresse: Gagernstr. 36 (Israelitisches Krankenhaus) |
Beruf | - |
Deportation/Flucht | Deportiert am 24.09.1942 von Frankfurt am Main über Berlin in das Lager Raasiku |
Sterbedatum und -ort | 23.08.1944, Konzentrationslager Stutthof |
Fanny Luise Rothschild, genannt Luise oder Liesel, kam am 8. Oktober 1940 nach Neu-Isenburg, um im Heim des Jüdischen Frauenbundes eine Ausbildung zur Säuglings- oder Kinderpflegerin zu absolvieren. Sie war damals 23 Jahre alt.
Luise Rothschild wurde am 3. Juli 1917 in Karlsruhe geboren. Dort wuchs sie mit ihrer Mutter Fanny, ihrem Vater Sally (Salomon) und ihrem Bruder Max auf. Die Eltern besaßen ein Haus in der Herrenstraße. Im Erdgeschoss betrieb Sally Rothschild ein koscheres Kolonialwarengeschäft, über dem Geschäft im ersten Stock wohnte die Familie in einer großen Wohnung. Sally Rothschild belieferte nicht nur Privatkunden, sondern auch Hotels, Sanatorien und Kinderheime in anderen Städten der Region (Gedenkbuch Karlsruhe).
Luise besuchte in Karlsruhe die Volksschule und anschließend die Fichteschule, eine Mädchenrealschule. Nach dem Schulabschluss konnte Luise zunächst keine Ausbildung beginnen, weil sie ihre Mutter unterstützen musste, die nach Sally Rothschilds plötzlichem Tod im April 1934 das Kolonialwarengeschäft allein weiterführen musste. Luises Bruder Max, der Ostern 1933 in Karlsruhe sein Abitur abgelegt hatte, war 1933 nach Frankreich und von dort ein Jahr später nach Palästina emigriert. Er starb am 7. Juli 1994 in Israel.
Aufgrund des staatlich verordneten Boykotts verlor Fanny Rothschild viele Kunden, so dass das Geschäft schließlich verkleinert werden musste. Während des Pogroms im November 1938 griffen nationalsozialistische Gewalttäter den Laden an. Fanny Rothschild eröffnete ihn später noch einmal für kurze Zeit, bald jedoch zwangen sie die „Arisierungsmaßnahmen“ der NS-Behörden zur Aufgabe.
Es war Luises Traum, Modezeichnerin zu werden. Ab Spätherbst 1938 absolvierte sie zunächst auf der Frauenarbeitsschule in Karlsruhe einen Nähkurs und arbeitete anschließend in der Karlsruher Damenschneiderei der Geschwister Traub. 1939 wagte sie den Sprung von Karlsruhe nach Berlin, wo sie die private Berufsfachschule für Mode, Grafik und Dekoration der Berliner Jüdischen Gemeinde in der Nürnberger Str. 66 besuchte. Obwohl sie die dort belegten Kurse erfolgreich absolvierte, brach Luise die Ausbildung nach sechs Monaten ab. Im Abgangszeugnis der Modeschule heißt es:
„Fräulein Liesel Rothschild war vom 1. September 1939 bis zum 15. Februar 1940 in unserer [...] Schule tätig, um an den Kursen für Schneidern, Schnittzeichnen und Konfektionszeichnen teilzunehmen. Fräulein Rothschild ist für die praktischen Fächer begabt. Ihre Leistungen im Schneidern waren besonders gut. Den Schnittzeichenkurs hat Fräulein Rothschild auch erfolgreich absolviert. Sie ist in er Lage, jeden Schnitt selbständig aufzustellen. Im Konfektionszeichnen hat Fräulein Rothschild gute Fortschritte gemacht.“
Statt weiter auf einen Beruf in der Modebranche hinzuarbeiten, begann Luise Rothschild nun ein Praktikum als Säuglings- und Kinderpflegerin. An einer Schule, die ihr einen staatlich anerkannten Abschluss hätte bieten können, wurden jüdische Schülerinnen zu diesen Zeitpunkt nicht mehr angenommen. Deshalb blieb Luise nur eine praktische Ausbildung in einer jüdischen Einrichtung. So kam sie Anfang Oktober 1940 nach Neu-Isenburg. Wahrscheinlich plante sie, aus Deutschland zu fliehen und strebte deshalb eine Qualifikation an, die ihr im Ausland bessere Arbeitsmöglichkeiten versprach als eine Ausbildung zur Schneiderin und Modezeichnerin.
Durch den Aufenthalt in Neu-Isenburg entging Luise der Deportation der badischen Juden nach Südfrankreich. Luises Mutter wurde am 22. Oktober 1940 von Karlsruhe aus in das Internierungslager bei der südfranzösischen Stadt Gurs deportiert. Fanny Rothschild überlebte die Shoah. Sie konnte nach Mexiko und von dort 1944 in die USA entkommen. Sie starb am 8. Februar 1962 in New York.
Luise blieb ein knappes Jahr im Heim des Jüdischen Frauenbundes in Neu-Isenburg. Ende August oder Anfang September 1941, kurz bevor die ersten Deportationszüge von Frankfurt nach Osten rollten, verließ sie die Einrichtung. Ihre letzte Zuflucht war das Krankenhaus der Jüdischen Gemeinde Frankfurt in der Gagernstraße 36. Luise Rothschild arbeitete dort bis zur Liquidation des Krankenhauses im Herbst 1942 als Krankenpflegerin. Zu diesem Zeitpunkt herrschte in dem Krankenhaus große Enge und Not. Die NS-Behörden hatten die jüdischen Krankenhäuser zusammengelegt und auch die Bewohner von Altersheimen, die sie geschlossen hatten, eingewiesen. Als die Patientinnen und Patienten des Israelitischen Krankenhauses in der Gagernstraße deportiert wurden, blieb Luise vorläufig verschont. Sie musste, wie andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter jüdischer Einrichtungen, bei der Auflösung der Institutionen helfen, bevor sie selbst verschleppt wurde.
Die 25-jährige Luise Rothschild wurde am 24. September 1942 über Berlin nach Raasiku in Estland nahe Tallinn deportiert. Ursprünglich war als Ziel des Transports das Ghetto Riga vorgesehen, das jedoch überfüllt war.
In Raasiku wurden viele der Deportierten unmittelbar nach der Ankunft mit Bussen in die nahe gelegenen Ostseedünen gebracht und dort ermordet. Die jüngeren, arbeitsfähigen Frauen und Männer mussten in Lagern in der Umgebung von Reval Zwangsarbeit leisten. Mit dem Vorrücken der Roten Armee im Sommer 1944 wurden die Arbeitslager in Estland geräumt, die Überlebenden in das Konzentrationslager Stutthof bei Danzig gebracht. Unter ihnen befand sich Luise Rothschild (Kingreen, Gewaltsam verschleppt, S. 380 ff.). Sie wurde am 23. August 1944 in das Konzentrationslager Stutthof eingeliefert. Dort verliert sich ihre Spur.
Die Biographie zu Luise Rothschild wurde 2009 von Simone Jennissen recherchiert und im "Gedenkbuch für die Karlsruher Juden" veröffentlicht.
Weitere Quelle: Stadtarchiv Neu-Isenburg