Vorname | Ruth |
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Nachname | Nathan |
Geburtsdatum | 12.07.1915 |
Geburtsort/Wohnort | Essen/Kassel |
Aufenthalt im Heim „Isenburg“ | 27.08.1937 - 04.12.1937 |
Abgemeldet nach | Frankfurt am Main |
Beruf | Hausangestellte |
Deportation/Flucht | Deportiert am 09.12.1941 von Kassel in das Ghetto Riga |
Sterbedatum und -ort | - |
Die aus Essen stammende Hausangestellte Ruth Nathan war die Mutter der in diesem Gedenkbuch ebenfalls verzeichneten Ellen Nathan.
Ruth Nathan wuchs zunächst in Essen in ihrem Elternhaus auf. Als sie zwölf Jahre alt war, zog sie jedoch nach Brakel in die Königstraße 2. Dort lebte Wilhelm Stein mit seiner Frau Sophie, geborene Nathan, vermutlich Ruths Tante. Aus welchem Grund Wilhelm und Sophie Stein die heranwachsende Nichte aufnahmen, ist nicht überliefert. Möglicherweise war Ruths Mutter gestorben. In den nächsten Jahren ist Ruths Lebensweg von vielen Ortswechseln bestimmt. Jedoch kehrte sie zwischendurch immer wieder nach Brakel zurück. Wahrscheinlich hatte Ruth in Brakel die Volksschule abgeschlossen und war anschließend in verschiedenen Stellungen in Deutschland als Haushaltshilfe tätig.
Im August 1937 fand die 22-jährige hochschwangere Ruth Nathan Aufnahme im Neu-Isenburger Heim des Jüdischen Frauenbundes. Am 25. Oktober brachte sie in Frankfurt am Main - vermutlich im Israelitischen Krankenhaus in der Gagernstraße 36 - ihre Tochter Ellen zur Welt. Mutter und Tochter lebten nach Ellens Geburt noch zwei Monate im Heim „Isenburg“. Nach den Akten der Neu-Isenburger Ortspolizeibehörde und den Heimlisten blieb Ellen zehn Tage länger als ihre Mutter. Ruth und Ellen lebten in Frankfurt offenbar nicht zusammen. Ellen war zur Zeit der Volkszählung 1939 im Kinderhaus der "Weiblichen Fürsorge" in Frankfurt am Main gemeldet (Volker Mahnkopp: Dokumentation zu verfolgten Personen im Frankfurter Kinderhaus der Weiblichen Fürsorge e.V., Hans-Thoma-Str. 24, unveröffentlichtes Manuskript).
Ruth Nathan heiratete zu einem Zeitpunkt, der nicht überliefert ist, den aus Borgentreich (Kreis Höxter) stammenden Herbert Bierhoff. Dieser wurde am 19. Juni 1903 als Sohn des Viehhändler Victor Bierhoff und seiner Frau Regina geboren. Herbert arbeitete vermutlich wie sein Vater als Kaufmann. Wann Herbert Bierhoff seine Heimatstadt Borgentreich verließ, ist ungeklärt. Möglicherweise flüchtete er, wie viele Juden aus Landgemeinden, unter dem Druck von Diskriminierung und Gewalt 1938/39 in die Stadt. Ruth und Herbert Bierhoff heirateten vermutlich 1939. Ruths Tochter Ellen trug nach der Hochzeit den Nachnamen Bierhoff und lebte bei ihren Eltern. Ob Herbert Bierhoff Ellens leiblicher Vater war oder ob er das Kind aus einer früheren Beziehung seiner Frau adoptierte, ist ungewiss.
Die Familie lebte bis 1941 in Kassel. Mitte Februar 1939 war Ruth in der Wilhelmshöher Allee 9, ab dem 12. September 1939 zusammen mit Herbert Bierhoff im Haus Tränkepforte 1 und schließlich ab 1. Oktober 1939 in Oberste Gasse 35 gemeldet. Tränkepforte 1 war ein Ghettohaus. Ruths Tochter Ellen war ab 5. Januar 1940 ebenfalls im Haus Oberste Gasse 35 gemeldet.
Am 9. Dezember 1941 wurden Herbert, Ruth und Ellen Bierhoff von Kassel aus in das Ghetto Riga deportiert. Die Familie lebte dort mehrere Jahre. Mit der Schließung des Ghettos wurde Ruth Bierhoff 1943 in das Konzentrationslager Riga-Kaiserwald verlegt. Als die Rote Armee 1944 näher rückte, wurde sie in das Konzentrationslager Stutthof bei Danzig verlegt. Ihre Tochter Ruth und ihr Ehemann Herbert lebten zu diesem Zeitpunkt nicht mehr (vgl. den Eintrag zu Ellen Nathan).
Soweit die historischen Quellen derzeit Rückschlüsse zulassen, verliert sich Ruth Bierhoffs Spur in Riga. Ruths Mitgefangener aus dem Ghetto Riga, Sigi Ziering, der die Shoah überlebte und später ein fiktionales, aber im Kern vermutlich authentisches Theaterstück über das Schicksal der Familie Bierhoff schrieb (vgl. den Eintrag zu Ellen Nathan), stellt Ruths Schicksal anders dar. Danach wurde Ruth Bierhoff 1944 bei der Räumung des KZ Riga-Kaiserwald in das Konzentrationslager Stutthof verschleppt. Diese Aktion ist historisch belegt. Im KZ Stutthof sei Ruth im Mai 1945 von der Roten Armee befreit worden. Ruth Bierhoff sei jedoch schwer an Typhus erkrankt gewesen und wenig später im Alter von 29 Jahren gestorben.
Der Gedenkbucheintrag konnte durch die Unterstützung von Fritz Ostkämper, Jacob-Pins-Gesellschaft, Höxter vervollständigt werden.
Weitere Quellen: Stadtarchiv Neu-Isenburg; Gedenkbuch des Bundesarchivs für die Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933 – 1945