Stadt Neu Isenburg

Namen

Tannenbaum (Whipple), Renate (Rita)

VornameRenate (Rita)
NachnameTannenbaum (Whipple)
Geburtsdatum21.08.1932
Geburtsort/WohnortFrankfurt am Main
Aufenthalt im Heim „Isenburg“In der Liste vom Sept. 1935 verzeichnet - 16.07.1937
Abgemeldet nachFrankfurt am Main
Beruf-
Deportation/Flucht

1939 Flucht in das Ghetto in Shanghai, China

Sterbedatum und -ort24.05.2022

Rita Whipple (geborene Renate Tannenbaum) wurde am 21. August 1932 von Klara Tannenbaum im Krankenhaus der Israelitischen Gemeinde, Gagernstr. 36 in Frankfurt am Main geboren.  Zusammen mit ihrem Bruder Egon wohnte sie zwei Jahre lang (1935-37) im Bertha-Pappenheim-Haus, bevor sie mit ihrer Mutter Klara zurück nach Frankfurt zogen.

Bis Renate sechseinhalb Jahre alt war blieben sie und ihr Bruder Egon mit der Mutter in Frankfurt. Nachdem sie die Reichspogromnacht von einem Trockenboden aus erlebt hatten, floh Klara mit den Kindern nach China. Dort lebten sie im Ghetto von Shanghai, bis sie 1949 mit der USS General M. C. Meigs nach San Francisco, Kalifornien, in die Vereinigten Staaten fahren konnten. Nach einem kurzen Aufenthalt in San Francisco zogen sie nach New York.

Renate hatte in der Kadoorie-Schule in Shanghai Englisch gelernt und so konnte sie in den Vereinigten Staaten arbeiten. Sie bekam einen Job als Telefonistin, als Verkäuferin in einem Kaufhaus und arbeitete am Fließband für Schokoladenschachteln bei Barricini Candies, einem der führenden koscheren Süßwarenhersteller in Amerika.

Fortan nannte sie sich 'Rita'.

Mitte der 1950er Jahre zog die Familie in den Süden Floridas. Rita hatte in der Zwischenzeit vier Töchter bekommen. Sie arbeitete viele Jahre lang als Kellnerin in verschiedenen Delikatessengeschäften und Diners. Sie liebte es, Witze zu machen und ihre Kundeschaft zu unterhalten, bis sie im Alter von 74 Jahren in den Ruhestand ging.

Rita liebte Leopardenmuster und Modeschmuck, tanzte gerne und sorgte dafür, dass niemand ihr Haus hungrig verließ. Ihre Fleischbällchen waren die besten und sie konnte aus dem Nichts etwas Leckeres zaubern. Ihr Haus war voller Puppen, Teddybären und lustiger Dinge, auf die sie als Kind verzichten musste. Wenn ihr Besucher Gefallen an einem ihrer "Museumsstücke" fand, schenkte sie es ihm gerne. Sie war freundlich, liebevoll und großzügig. Sie akzeptierte alle, ohne ihn zu verurteilen, und behandelte alle, egal ob er arm oder reich war mit der gleichen Herzlichkeit.

Im Jahr 2019 begann ihre Tochter und deren Partner einen Dokumentarfilm über das Lebens Ritas in Deutschland, Shanghai und in Amerika zu drehen. Der Film zeigt die komplizierten Facetten der Shoah, des Exils und was es bedeutet, deutsch und jüdisch zu sein. Er dokumentiert ausserdem die langfristigen Auswirkungen auf eine Familie.

Im Rahmen der Recherchen zu diesem Film stießen die Tochter und ihr Partner auf die Seite in diesem Gedenkbuch und kontaktierten die Stadt Neu-Isenburg. Es stellte sich heraus, dass Renate, die spätere Rita, gar nicht wusste, wer ihr Vater war. Ihre Tochter fragte die Geburtsurkunde Ritas bei der Stadt Frankfurt an. Auf dieser war der Name des Vater - Wilhelm Eckhardt - vermerkt.

Wilhelm Eckhardt hatte sie acht Monate nach ihrer Geburt als seine Tochter anerkannt. Ausser dem Namen des Vaters war nur eine Adresse in Frankfurt bekannt. Durch einen Eintrag in einem Hausbuch wurde der Geburtsort Sterbfritz des Vaters bekannt und so begannen die Recherchen zu Wilhelm Eckhardt sich zu intensivieren. Seine Gebursturkunde gab viel Auskunft, doch sein Testament, das mithilfe der Gebursturkunde Ritas und einer Vollmacht beantragt werden konnte, gab noch mehr Informationen preis. Sein Leben konnte dank dieser beiden Dokumente und weiterer Recherchen gut rekontruiert werden. 

Eckhardt zog im November 1932 von Sterbfritz nach Frankfurt, wohnte aber nicht bei Klara Tannenbaum. Im Jahr 1935 heiratete er eine andere Frau mit der er in die Nähe von Heilbronn zog. Er hatte eine zweite Tochter mit der sich das Filmteam traf. Durch sie kamen noch viele weitere Informationen über ihn dazu. Wilhelm Eckhardt verstarb 1964 bei einem Verkehrsunfall.

An ihrem 90. Geburtstag bekam Rita all die Informationen über ihren Vater in einem Videocall mitgeteilt. Sie war außer sich vor Freude und sprach mit ihren Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartnern in einem nahezu fließenden Deutsch mit hessischer Färbung. Rita hatte ihren Vater mit 90 Jahren gefunden und kam ihm durch seine recherchierte Lebensgeschichte ein Stück näher. 

Bei der Vorstellung des Trailers des Films  'Brocken Dolls' am 10. November 2022 war Rita über Video zugeschaltet und sprach vor dem anwesenden Publikum. 

Obwohl sie nach ihrer Ausreise 1939 nie wieder nach Deutschland zurückkehrte, erhielt sie im Dezember 2021 ihre deutsche Staatsbürgerschaft zurück.

Am 24. Mai 2022 verstarb Rita in South Carolina, USA.

Quelle: Statdarchiv Neu-Isenburg; Standesamt Frankfurt am Main; Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main; Standesamt Gemeinde Sinntal; Amtsgericht Heilbronn; Gespräche mit Renate Tannenbaum (Rita Whipple) und ihrer Tochter Tracy Whipple im Jahr 2021

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